Historische Einbettung aktueller Debatten um den Medienwandel im Bildungswesen
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Kundenmeinung von Carmen Melanie Flury
Die ersten beiden Kapitel geben eine knappe Einführung in die Bildungs- und Erziehungsgeschichte sowie in die Anliegen und Methoden der Historischen Bildungsforschung. Im dritten Kapitel wird der Medienbegriff definiert und eine Einteilung in basale Medien (Schrift), Grundlagenmedien (Buch) und spezifizierende Medien vorgenommen. Letztere umfassen Medien, die spezifisch die Entstehung und Ausdifferenzierung moderner Bildungssysteme begleiteten und auf das Grundlagenmedium Buch im Schulkontext spezifizierend einwirkten. An dieser Einteilung orientiert sich der Aufbau des Bandes. Im 4. Kapitel wird dargelegt, wie sich durch das Aufkommen der Schrift erste Konturen „schulischer“ Institutionen und Praktiken um dieses zentrale Medium entwickelten. Das folgende Kapitel zeigt auf, wie mit der Transformation der Schrift zum Alphabet der Schrifterwerb erleichtert und die Überlieferung abstrakter Themen möglich wurde. Die übergeordnete Bedeutung des Mediums Buch im Schulkontext wiederspiegelt sich darin, dass diesem Thema gleich drei Kapitel gewidmet werden. Das Buch wird dabei als transformierender Faktor in Bildung und Erziehung der klassischen Antike, und bei der Konsolidierung monotheistischer Religionen diskutiert (Kapitel 5), sowie als zentrales Medium institutionalisierter Bildung im Mittelalter (Kapitel 6) und nach Einführung des Buchdrucks (Kapitel 7). Die beiden folgenden Kapitel erweitern den Begriff des Mediums, indem einerseits „Kindheitsvorstellungen“ (Kapitel 8), und andererseits die Schulbank (Kapitel 9) als Medien von Erziehung und Bildung aufgefasst werden. Insbesondere durch die Untersuchung historischer Kindheitsvorstellungen als transformierende Faktoren im Bildungswesen wird dabei klar, dass der Medienbegriff nicht auf materielle Gegenstände beschränkt ist, sondern dass Medien im Sinne vermittelnder Faktoren ebenso auch wirkmächtige Ideen und Konzepte miteinschließen, welche die historische Entwicklung des schulischen Bildungswesens entscheidend prägten. Das Schlusskapitel befasst sich mit audiovisuellen Medien (Schulkino, Schulrundfunk, Bildungsfernsehen) und Computertechnologien im Unterricht. Dabei wird aufgezeigt, dass sich pädagogische Mediendebatten schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwischen Medienoptimismus und -skepsis bewegten. Wie dem Schulfunk und Schulfernsehen blieb auch den Computern trotz ihres bahnbrechenden gesamtgesellschaftlichen Erfolgs bislang nur eine begrenzte Einflussmacht auf traditionelles Schulwesen beschieden (vgl. die ikonische Studie von Larry Cuban, „Oversold and Underused“).
Die einzelnen Kapitel können problemlos auch isoliert gelesen werden. Jedes Kapitel schließt jeweils mit einer Reihe von Verständnis- und Diskussionsfragen. Leider fehlt ein abschließendes Fazit, dass eine Synthese aus den verschiedenen Kapiteln vornimmt. Das tut den differenzierten und kritisch reflektierenden Analysen aber keinen Abbruch, durch deren Lektüre man neben einem besseren Verständnis des Medienwandels im Bildungswesen auch sein historisches Allgemeinwissen in den behandelten Themen vertiefen kann.