Hintergründe für Theoretiker oder eine Metatheorie der Theorie?
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Kundenmeinung von Wolfgang Braun
Gibt es ideale Theorien? Oder sind die meisten nur Ideologien und Feldstrategien? Wie werden entwickeln sich Theorien im Diskurs? Dies sind nur einige Fragen, wie der Autor an den Anfang des Buches stellt.
Das Buch ist in drei Hauptteile gegliedert. Der erste Teil beschäftigt sich mit der Begriffsbestimmung des theoretischen Diskurses in den Sozial- und Kulturwissenschaften. Hier werden Aspekte wie Rationalisierungsprozesse, Institutionalisierung von Theorien oder auch sprachliche und ideologische Bedingtheit von Theorien, Falsifizierbarkeit und Paradigmenwechsel durch neue Theorien näher beleuchtet. Der zweite Teil beschreibt die "Einheit der Gegensätze". Es geht hier beispielsweise um Universalismus vs. Partikularismus oder auch Realismus vs. Konstruktivismus. Auch hier stehen, wie auch im ersten Teil, Soziologen und Philosophen wie Foucault, Popper oder auch Luhmann und Bourdieu (um nur einige wenige zu nennen) Pate für eine Vertiefung der jeweils behandelten Kapitel innerhalb der Hauptteile. Im dritten Teil gibt es Analysen zur Dialogischen Theorie als Metatheorie der Verständigung. Der Aufbau des Buches ist somit thematisch gut strukturiert und lässt dem Leser die Möglichkeit gezielt personenbezogen zum Thema zu suchen.
Für Studenten der Kultur- und Sozialwissenschaften, die sich ja nun immer wieder mit Theorien in sämtlichen Ausrichtungen auseinandersetzen und anwenden, ist es sinnvoll dieses Buch innerhalb ihres Studium einmal näher betrachtet zu haben, allein um sich darüber klar zu werden, was man denn da genau als Werkzeug für seine Argumentationen benutzt. Für Studienanfänger, je nach Vorbildung, nach der trockene Text doch etwas sperrig sein, deswegen fällt eine Lektüre des vorliegenden Buches sicher nach ein paar Eingangssemestern leichter, wenn man gelernt hat auch schwerere Texte leichter zu lesen. Auch das ist ein Lernprozess in einem kultur- und sozialwissenschaftlichen Studiengang. Einen Studienanfänger, der erst langsam eintaucht in die Welt der Theorien, wäre vielleicht mit der Erstlektüre am Studienbeginn etwas überfordert. Ansonsten ist dieses Buch auch für alle späteren Semester sehr gut geeignet und immer empfehlenswert.
Eine direkte Prüfungsrelevanz würde ich dem Buch nicht unterschreiben wollen, sehr wohl aber eine indirekte, viel weiter reichende. Wer weiß, was eine Theorie an sich genau bedeutet kann, vor allem in der definitionslastigen Philosophie, sehr viel Gewinn daraus ziehen, der sich in den Prüfungstexten der Studenten und der späteren Publikationen, zwischen den Zeilen positiv niederschlägt.
Der Buch Text an sich ist nicht zu sehr überladen mit unverständlichen Fachbegriffen. Aber aufgrund seiner Thematik, nämlich der Theorie, für den ein oder anderen, der nicht den direkten Zugang zu solch "trockenem" Material hat, sperrig und zäh. Zudem ist es nicht populärwissenschaftlich geschrieben, was den Leserkreis deutlich einschränkt.
Wie es sich für ein Buch über Theorien gehört, befindet sich nicht eine einzige auflockernde Grafik auf den etwas mehr als 300 Seiten. Auflockernd hin oder her: sie sind für das Thema auch nicht nötig. Dessen sollte man sich bewusst sein, bevor man sich dieses Buch anschafft. Deswegen gibt es auch zum Layout nicht viel zu sagen. Das Frontcover ist ebenfalls ohne Grafik. "utb - Autor - Titel - Auflage". Minimalistisch und nur auf das allernotwendigste beschränkt. Angenehm fällt die Fußnotenzitierung der Publikation auf, da diese für viele Studenten auch heute noch bindend ist und sich von der Harvard-Zitierung absetzt oder einfach mit Zahlen belegt, deren Texte und Verweise man ständig im Buch blätternd im hinteren Teil abrufen muss. Ansonsten glänzt das Buch auch bei Lernhilfen oder zusätzlichen Materialien durch Minimalismus: es gibt keine Lernhilfen oder Zusatzmaterialien. Es gibt eine Bibliographie und es gibt ein Personenverzeichnis am Ende des Buches. Wenn man es positiv sehen möchte: es gibt nichts, das den Leser mit Bildern, Verlinkungen oder ständigem Blättern in den hinteren Buchseiten und den dadurch erzwungenen Abbruch der nötigen Aufmerksamkeit und Konzentration für den Text, ablenken würde.
Fazit: das Buch ist in seiner Konzeption für den interessierten Wissenschaftler, der kultur- und sozialwissenschaftliche Theorien anwendet und verarbeitet, in jedem Status seiner Laufbahn empfehlenswert. Man bekommt sicher den ein oder anderen Zugang zu den Theorien die man selbst verwendet hat oder die man bisher nie hinterfragt hat - oder auch auf die nie gestellte Frage was denn eine Theorie genau ist, obwohl man diese als Werkzeug bereits in jahrelangen Prozessen internalisiert hat.